Fünf Wochen – drei Mal Klavier

Fünf Wochen – drei Mal Klavier

Klavierfestwochen im Staatstheater Darmstadt? Zwischen zwei Sinfoniekonzerten – im Dezember mit dem Pianisten Joseph Moog, im Januar mit seiner Kollegin Julianna Avdeeva – gibt es noch ein Kammerkonzert des französischen Pianisten Alexandre Tharaud. Mit den dreien führten wir ein fiktives Gespräch. Die Antworten sind Originalzitate aus Interviews.

Wie kamen Sie zum Klavier?
Joseph Moog erzählt: „Als ich 4 oder 5 Jahre alt war! Meine Eltern sind beide auch Musiker, Orchestermusiker, haben jedoch auch in verschiedenen Kammermusikensembles gespielt. Sie kauften einen Flügel, um bei uns proben zu können, und dieser Flügel faszinierte mich. Ich habe viel darauf gespielt, frei improvisierend. Nach etwa einem Jahr entschieden meine Eltern, dass es vielleicht an der Zeit wäre, mir das Notenlesen beizubringen.“ Bei Yulianna Avdeeva war es anders: „Meine Eltern waren keine professionellen Musiker. Aber mein Vater ist ein großer Musikliebhaber mit einer umfangreichen Schallplattensammlung. So bin ich mit der Musik aufgewachsen, sie war immer präsent. Als ich fünf Jahre alt war, ist meine Mutter mit mir zur „Gnessin“-Schule in Moskau gegangen, um einen Aufnahmetest zu machen. Dort habe ich dann meine musikalische Ausbildung begonnen.“ Auch in der Kindheit von Alexandre Tharaud spielte Musik eine Rolle: „Mein Vater war Sänger und hat das ganze französische Repertoire gesungen. Ich bin ganz tief in diese Einflüsse eingetaucht. Meine Großmutter lebte im Viertel Pigalle. Dort haben früher alle Komponisten gewohnt. Natürlich hat mich das enorm geprägt.“ 


3. Sinfoniekonzert

mit Joseph Moog


Sie spielen überall auf der Welt. Wie stellen Sie sich auf das Instrument ein, das sie auf den Bühnen vorfinden?
Tharaud besitzt kein eigenes Instrument mehr: „Ich habe mich vor neun Jahren von meinem Klavier getrennt, weil mich mein Instrument überwältigt hat. Ich ziehe es vor, bei anderen Leuten zu arbeiten: Ich habe einen großen Schlüsselbund mit Schlüsseln zu den Wohnungen meiner Freunde. Ich rufe vorher an, um sicherzugehen, dass sie nicht da sind und nehme nur die Partituren mit, an denen ich gerade arbeite. Wenn ich
zu meinem Klavier gehe, dann ist es immer wie eine kleine Pilgerfahrt. Ich nehme die Metro, denke auf der Fahrt alles durch, bereite mich innerlich vor. So hat man zumindest Lust sich zu finden. Das endgültige Zusammentreffen ist dann ein großer Genuss. Man lernt viele Instrumente kennen und man lernt auch dadurch, verschiedene Fabrikate zu spielen und zu beherrschen,“ sagt Joseph Moog. „Mich interessiert das alles sehr, auch z.B. der Unterschied zwischen den europäischen und den amerikanischen Steinways. Ich glaube, wenn ich nur auf meinem eigenen Instrument spielen würde, dann würde mir diese Vielfalt und die Abwechslung auch wieder fehlen.“ Yulianna Avdeeva findet: „Das Instrument ist extrem wichtig. Die Flügel haben sehr unterschiedliche Charaktere und jeder Flügel hat eine Seele. Mit manchen ist man sofort per Du, man spürt sie. Der Flügel hilft einem dann, er merkt was man will und sucht. Ein guter Kontakt zum Klaviertechniker ist für mich auch sehr wichtig, gerade wenn ich immer wieder an den gleichen Orten spiele. Da kennt man sich schon und der Techniker weiß, was mir wichtig ist, wie meine Klangvorstellung aussieht.“


5. Kammerkonzert

mit Alexandre Tharaud


Wettbewerbe sind oft der Start zu Karrieren. Aber wie wichtig sind sie wirklich?
Yulianna Avdeeva, die 2010 als vierte Frau den Chopin-Klavierwettbewerb gewann, mag sie: „Wettbewerbe sind kein Muss für eine Pianisten-Karriere. Es gibt immer wieder Persönlichkeiten (wie Joseph Moog), die eine tolle Karriere ohne Wettbewerbsgewinn erreichen können. Das ist letztlich auch eine Typenfrage. Ich persönlich finde es eine gute Möglichkeit, wenn man sich mit einem Programm auf einen bestimmten Punkt vorbereiten kann. Der Chopin-Wettbewerb dauerte drei Wochen lang und ich hatte in Warschau eine wunderschöne Zeit verbracht. Diese leidenschaftliche Liebe dieser Stadt zu Chopins Musik spürt man überall, sogar auf den Straßen. Die Liebe zu Chopin mit dem Warschauer Publikum zu teilen, hat mir sehr geholfen, den „Wettbewerbsstress“ auszublenden.“ Der angesprochene Joseph Moog sieht das etwas anders: „Ich denke:
Wettbewerbe muss man hundertprozentig wollen, man muss überzeugt sein, gewinnen zu können, man muss diese Konkurrenzsituation mögen, und das war bei mir bisher nie der Fall. Deswegen habe ich nie an großen Wettbewerben teilgenommen. Auch das Repertoire, das meistens verlangt wird, hat mich nicht unbedingt interessiert.“ Alexandre Tharaud ist Preisträger einiger Wettbewerbe, z.B. des ARD-Wettbewerbs. Er ist der Meinung, dass das Erfolgsgeheimnis eines Pianisten ist, die Nähe des Komponisten zu suchen, so wie Avdeeva es in Warschau getan hat: „Ich glaube, jeder junge Musiker sollte versuchen, sein Spektrum zu vergrößern und solche Impressionen aufzusaugen. Er sollte die Nähe seines Komponisten suchen, seinen Charakter studieren, seine Psychologie, seine Person, sein Land, seine Kultur kennen lernen und überprüfen,
was ihm das alles heute sagt.“


4. Sinfoniekonzert

mit Yulianna Avdeeva