Michael Lohmann ist Komponist und Sounddesigner unserer kommenden Uraufführung „Interstellar: Zwischen den Sternen“ von Klaus Gehre nach Christopher Nolan und anderen ab dem 01. November in den Kammerspielen.
“Im Weltraum hört dich niemand schreien“, lautete der effektvolle Untertitel zu Ridley Scotts erstem „Alien“ Film – und das stimmt ja auch. Da, wo ein perfektes Vakuum herrscht, hat der Schall keine Chance sich auszubreiten. Diesen Umstand ignorieren viele Hollywood-Regisseure und man kann es ihnen schwer verdenken: Was wäre ein „Star Wars“-Gefecht ohne explodierende Raumschiffe und das ikonische Schussgeräusch der Lasersalven? Wenn dazu noch die sinfonische Musik von John Williams aus den Boxen meines Fernsehers dröhnt, fühle ich mich wieder wie der zwölfjährige Junge, der völlig hypnotisiert auf dem Wohnzimmerteppich die Welt um sich herum vergisst.
Gerade Science-Fiction Filme haben eine Tendenz zu originellen, ausgeprägten Klangwelten. Ob bei „2001“, wo Stanley Kubrick Raumschiff e Strauss-Walzer tanzen lässt und mit Chören von György Ligeti zum Rande des Sonnensystems aufbricht, oder bei „Gravity“, wenn George Clooney und Sandra Bullock in ihren Raumanzügen durch das All gleiten und sich ihre Stimmen akustisch durch den Kinosaal zu bewegen scheinen. Weltraumstoff e scheinen eine große kreative Aufforderung an Musik und Sounddesign darzustellen.
So auch bei „Interstellar: Zwischen den Sternen“, einer sehr freien Bearbeitung des Filmstoffs von Christopher Nolan, die wir am 01. November in den Kammerspielen zur Premiere bringen werden. Die Arbeit daran ist für mich als Komponist und Sounddesigner besonders reizvoll: Zum einen gibt es da die bild- und klanggewaltige Vorlage von Christopher Nolan, die komplex und gradlinig zugleich erzählt und viele außergewöhnliche Orte und Situationen schafft , die ich mit Atmosphäre und Charakter vertonen will. Zum anderen drehen wir aber ja mit „Interstellar“ keinen Film nach, sondern machen Theater – und die Übertragung auf die Bühne erzeugt eine ganz eigene künstlerische Situation: Die Schauspielenden bauen vor meinen Augen Film-Bilder, deren Konstruktion ich jederzeit sehe und mich doch von ihrem Effekt auf der Leinwand verführen lasse. Und dafür braucht es eine Klangwelt, die sehr dynamisch auf das Bühnengeschehen reagieren kann. Das geschieht dank der tollen Tontechniker*innen des Staatstheaters, die jenseits des Rampenlichts zahlreiche Einsätze für Sound und Musik auf Stichworte und Bewegungen hin abfahren.
Erst durch das Zusammenspiel von Bild und Ton entsteht diese immersive Erfahrung, die wir aus dem Kino kennen. Ich sehe meine Arbeit dabei manchmal als die eines akustischen Bühnenbildners: Vom Zirpen der Grillen in den Maisfeldern des mittleren Westens der USA bis hin zu den Schneestürmen auf einem vereisten Planeten, diese Atmosphären habe ich gestaltet und mit dem Surround-Lautsprechersystem der Kammerspiele so um das Publikum gelegt, dass es darin eintauchen kann – oftmals, ohne das überhaupt bewusst zu registrieren! Diese Atmosphären arbeiten im engen Zusammenspiel mit der Musik, die ich für den Abend komponiert und produziert habe, denn über musikalische Themen lassen sich Beziehungen zwischen Figuren wunderbar atmosphärisch aufladen oder eine dramatische Sequenz mit Energie und Rhythmus verstärken. Dabei war es mir wichtig eine eigenständige musikalische Sprache jenseits des bestehenden Scores von Hans Zimmer zu finden, die auf unser Stück hier in Darmstadt zugeschnitten ist, an geeigneter Stelle aber auch eine kleine Verbeugung vordem großen Filmmusik-Komponisten zu machen, indem eine Akkord- oder Tonfolge als Zitat vorbeifliegt.
Momentan arbeiten wir noch auf Hochtouren an dem Abend, aber ich freue mich schon jetzt auf die Premiere – wenn wir nämlich glücklicherweise nicht im Vakuum des Alls, sondern in der ganz eigenen Atmosphäre der Kammerspiele für unser Publikum spielen und erklingen dürfen!
- Michael Lohmann
Interstellar: Zwischen den Sternen (UA)
Ein Weltraumabenteuer von Klaus Gehre frei nach Christopher Nolan und anderen / Uraufführung / ab 14 Jahren
REGIE & BÜHNE Klaus Gehre
KOSTÜM Mai Gogishvili
MUSIK / KOMPOSITION Michael Lohmann
DRAMATURGIE Alexander Kohlmann
Premiere am 01. November 2024 / 19:30 Uhr / Kammerspiele