2. Sinfoniekonzert mit Michael Barenboim und Daniel Cohen

 

Wie klang für die Zeitgenossen 1899 Mahlers 1. Sinfonie? Heute ist das Stück ein Repertoire-Klassiker. Daniel Cohen knüpft mit seinem ersten Sinfoniekonzert der Saison 2019/ 2020 an die Mahler-Pflege des  Staatsorchesters an. Wie gut kennt man die Klassiker der Moderne wirklich? „Notations“ ist eine Hommage an die Zahl 12: Es sind kurze Klavierstücke, die Boulez später zu einer herausfordernden und aberwitzig schwierigen Instrumentation ausbaute. „Das Ziel der Musik ist es nicht, Gefühle, sondern Musik auszudrücken. Musik ist kein Gefäß, in das der Komponist seine Seele Tropfen für Tropfen füllt, sondern ein Labyrinth ohne Anfang und Ende, voller neuer Wege, die es zu entdecken gilt – und wo das Geheimnis ewig währt“, sagte Pierre Boulez.

Hätte das Alban Berg auch so gesehen? „Dem Andenken eines Engels“ widmete er sein Violinkonzert. Gemeint war damit Alma Mahlers Tochter, Manon Gropius, die 1935 im Alter von 18 Jahren an Kinderlähmung gestorben war. „Ich will brieflich nicht versuchen, dort Worte zu finden, wo die Sprache versagt“, schrieb Alban Berg an Alma Mahler, „aber dennoch: eines Tages mag Dir aus dem Violinkonzert das erklingen, was ich fühle, und wofür ich heute keinen Ausdruck finde.“ Den Solo-Part im Berg-Konzert spielt mit Michael Barenboim ein schon fast familiärer Weggefährte von Daniel Cohen, war Cohen doch Mitglied des von Daniel Barenboim gegründeten West Eastern Divan Orchestra und später auch dessen musikalischer Assistent. Michael Barenboim blickt weit über den Tellerrand der üblichen professionellen Musiker-Karriere, die für ihn eher spät startete: „Ich habe immer nur das Minimum gemacht, so, dass ich zum Unterricht gehen konnte, ohne rausgeworfen zu werden. Ich habe mich in der Jugend nicht täglich fünf Stunden in meinem Zimmer eingesperrt, um Geige zu spielen – ich weiß auch gar nicht, ob das für die persönliche Entwicklung wirklich so gut ist. Aber in meinen zwanziger Jahren musste ich dann aufholen, was andere mit zwölf oder dreizehn gelernt haben. Ich habe nach der Schule in Paris zuerst Philosophie studiert. Aber das habe ich nach zwei Jahren abgebrochen, um Geige zu studieren. Die Musik war stärker, und wenn man nicht genug übt, wozu mir das Philosophie-Studium keine Zeit ließ, klingt auf der Geige kein einziger Ton gut.“

Michael Barenboim wuchs auch in Paris auf: „Ich spreche vier Sprachen. Meine Eltern reden Englisch miteinander, mit meiner Mutter und mit meiner Frau spreche ich Russisch, mit meinem Vater Französisch.
Vor allem zu Pierre Boulez hatte er eine enge Verbindung; in einem Interview sagte er: „Alle seine Aktivitäten haben die Art und Weise, wie Musik gespielt, gehört und allgemein akzeptiert wird, völlig verändert. Eine musikalische Welt ohne sein Input ist heute völlig undenkbar. Als Dirigent brachte er Klarheit und Ordnung auch in die komplexesten Partituren, ohne die Freiheit und Flexibilität zu verlieren, die für die von ihm gespielte Musik notwendig ist. Als Komponist schuf er eine neue Sprache, die die Zukunft der Musik prägte. Man muss hoffen, dass seine ganze Einstellung zur Musik, etwas ist, das die Arbeit aller gegenwärtigen und zukünftigen Generationen prägen wird. Es ist unsere Pflicht, daraus zu lernen.“ (Gernot Wojnarowicz)


2. Sinfoniekonzert