"Die dritte große Premiere der Saison beschert dem Darmstädter Sprechtheater den dritten Erfolg in Serie - und allemal den sympathischsten. Hier hat mit der Zeit ein Schauspiel sich und seine Sprache gefunden. Es lohnt sich, das zu entdecken." Darmstädter Echo
"Genialisch einfach wuchtet JuIia Prechsl (Regie) Georg Büchners Lustspiel ins Staatstheater Darmstadt." Frankfurter Rundschau
Entstanden 1836 parallel zu „Woyzeck“ ist Büchners einziges Lustspiel zugleich die Parodie auf ein Lustspiel. Prinzen, Prinzessinnen, Könige, Gouvernanten, Diener – das bekannte Personal ist vollzählig da, aber alle Figuren wirken melancholisch-traumverloren, aus der Zeit und aus ihren Rollen gefallen. Keine Helden, die sich selbst glauben könnten - nirgendwo. Die junge Regisseurin Julia Prechsl untersucht Büchners Text insbesondere hinsichtlich des Konfliktes zwischen den Generationen.
Drei Fragen an die Regisseurin Julia Prechsl
Liebe Julia, Georg Büchner ist sicher der bekannteste Dichter, der mit Darmstadt verbunden wird. Unser Theater steht am Georg-Büchner-Platz, der Büchnerpreis ist eine nationale Größe, man könnte sagen, Büchner ist der „local hero“. Was bedeutet es Dir, Büchner in Darmstadt zu inszenieren?
Die Verbindungen, die der Text von „Leonce und Lena“ zu dieser Stadt aufmacht, sind wirklich spannend. Gerade diesem Stück ist Büchners – auch durchaus kritische – Verbindung zu Darmstadt eingeschrieben. Er arbeitet sich an den Themen des Fürstenhauses ab und benutzt die Referenzen zur Stadt, um durch den Mikrokosmos Kritik am Makrokosmos zu üben. Es wäre natürlich schön, wenn uns das mit unserer Inszenierung auch gelingt.
„Leonce und Lena“ soll ein Lustspiel sein, schreibt Georg Büchner. Wie stehst Du dazu?
Erstmal ist so eine Genrezuschreibung eine sehr befreiende Einladung, lustvoll und offen mit dem Material umzugehen. Die Zuschreibung „Lustspiel“ hat ja von Büchner nicht ohne eine gewisse Ironie gewählt und hat ihm schon die Möglichkeit gegeben, wie auch vielen Dramatiker*innen vor ihm, durch den Humor hochpolitische Themen in einer entsprechenden Fallhöhe zu bearbeiten.
Sowohl Prinz Leonce als auch Prinzessin Lena fliehen aus einer Welt, in der sie sehr privilegiert aufgewachsen sind. Sie wollen in einem Fabelitalien sich selber, den Tod oder vielleicht doch das Leben finden und kehren, nachdem sie sich ziemlich zufällig gegenseitig gefunden haben, doch nach Hause zurück. Dort werden sie als Automaten/Roboter angekündigt und öffentlich verheiratet. Was für ein komisches Ende. Welche Reise unternehmen die beiden Deiner Meinung nach?
Lena und Leonce stehen in einer ziemlichen Ratloslosigkeit vor dem Erbe ihrer Eltern und des Hofzeremoniells. Beide werden in eine Welt geboren, in der für sie alles bequem eingerichtet und vorbereitet ist. Aber was passiert, wenn man zwar alles haben kann, aber nichts davon will? Wenn einen ein Bewusstsein dafür einholt, dass der eignene Überfluss doch einen Preis hat, auch wenn man ihn nicht selbst bezahlt? Die beiden könnten sich in den ewigen Kreislauf des höfischen Lebens geben, der in seiner Blase unhinterfragt funktioniert. Aber die Ahnen sind keine Vorbilder (Helden?) mehr. Da gibt es einen Drang, zu erfahren, was in der Welt passiert, was es noch geben könnte. Und das ist der spannende Punkt in der Reise der beiden. Der Punkt, der sie aufbrechen lässt und letztlich ja tatsächlich zu einer Erfahrung führt, die nur in der Freiheit möglich war. Aus dieser Erfahrung einen neuen Weg zu gehen, ist dann die Herausforderung.