Gespräch mit Jakob Weiss zu „Homo Faber“

Lieber Jakob, viele Zuschauer*innen haben „Homo faber“ in der Schule gelesen und ihre jeweils eigene Rezeptionsgeschichte – wie ging es dir bei der Wiederbegegnung mit dem Roman? Tatsächlich kannte ich den Roman auch nur aus dem Schulkontext und hatte ihn irgendwie sehr trocken und staubig in Erinnerung. Irgendetwas mit Flugzeugabsturz und Nachkriegszeit. Als mir das Staatstheater Darmstadt angeboten hat, den Stoff zu inszenieren und ich den Roman nach all den Jahren nochmal gelesen habe, kam es mir allerdings gar nicht mehr trocken vor. Staubig vielleicht schon aufgrund des dem Roman eingeschriebenen Zeitgeistes, aber vor allem surreal, metaphysisch und poetisch.

In Max Frischs Text kann man wie bei einer Art Tatort-Besichtigung die Keimzelle einer sogenannten „toxischen Männlichkeit“ inkl. Gefühls- und Körperfeindlichkeit, Abwertung alles Nicht-Rationalem, Misogynie und Technik-Vergötterung aufsuchen. Wie gehst du inszenatorisch mit dieser toxischen Männlichkeit um? Mich interessiert vor allem, die Widersprüchlichkeit zwischen äußerlicher Behauptung von Stärke und innerer Zerstörtheit sichtbar zu machen. Was ist Fassade, was ist Spiel – was Wirklichkeit, was Einbildung? Wozu führt das Prinzip dieses Rollenbildes im Äußeren aber auch im Inneren und warum reproduziert es sich immer wieder aufs Neue? Das sind die Fragen, die ich dabei beleuchten möchte und gleichzeitig sehr sensibel mit der Frage umgehen will, wie vermeiden wir z.B. die platte Reproduktion von Misogynie und Rassismus, die resultierend aus dieser „toxischen Männlichkeit“ dem Text wie Gespenster einer anderen Zeit innewohnen.

Neben deiner künstlerischen Arbeit hast du auch Psychologie studiert – was interessiert dich an dem Stoff aus dieser Perspektive? Die Erzählung ist eine komplett subjektive Schilderung der Ereignisse in einer Rückschau, verfasst als „Rechtfertigungs-Bericht“ einer sich selbst als rational und sachlich verstehenden Person. Im Prinzip setzt Max Frisch uns als Rezipient*innen damit quasi in eine Analytiker*innen Rolle, weil wir ausschließlich aus der Perspektive des Walter Faber beurteilen müssen, wie sein Bericht einzuordnen ist, was passiert ist und welche Probleme überhaupt vorliegen. Interessant vor diesem Hintergrund ist der Widerspruch der logischen Rationalität der Schilderung und die seltsam traumartigen, schicksalhaften Wendungen der Ereignisse. Für mich hat der gesamte Roman etwas von der Beschreibung eines sehr seltsamen Traumes, aus dessen unbewussten Bruchstücken ich mir mein eigenes Bild machen kann.

Du hast viel Erfahrung mit Romanbearbeitungen – wie übersetzt du literarische Welten für das Theater? Im Grunde gibt es für mich dafür kein Rezept oder eine Standard-Herangehensweise. Meist merke ich bereits beim ersten Lesen, ob ein literarischer Stoff geeignet ist oder nicht. Im Falle von Homo faber hatte ich es leicht und schwer zugleich. Leicht, weil der Stoff unglaublich reich an Bildern und Szenen ist, die sich durch die subjektive und „unzuverlässige“ Erzählperspektive sehr leicht montieren lassen. Schwer, weil der Text lauter indirekte Dialoge beinhaltet, die ich alle in direkte Dialoge „übersetzen“ musste.

Du übernimmst wie bei den meisten deiner Arbeiten mehrere künstlerische Bereiche der Inszenierung. Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Regisseur, Bühnenbildner und Autor aus? Eine interessante Frage! Im Prinzip ist es ein untrennbarer gestalterischer Gesamtimpuls, der in den verschiedenen Bereichen sichtbar wird. Wenn mir ein Stoff gefällt, hat der Bühnenbildner schon einen Raum im Kopf, während der Regisseur darin menschliche Begegnungen stattfinden lässt. Der Anteil des Autoren oder vielmehr Textbearbeiters liegt dann vor allem darin, zu überprüfen, ob Raum und Mensch in dem Text so vorkommen, wie es die Fantasie davor suggeriert hat, wie sich alles in Einklang bringen lässt, oder ob es angepasst werden muss. Psychologisch sicher auch ganz interessant.

Die Fragen stellte Christina Zintl

Homo faber