Operndirektorin Nicola Raab im Gespräch mit dem Indentanten und Wozzeck-Regisseur Karsten Wiegand

Nicola Raab: Du hast Dir für Wozzeck als szenisches Mittel unter anderem eine Wärmebildkamera aus- gesucht. Was tut die in Deiner Inszenierung, welche Funktion hat sie?

Karsten Wiegand: Der geniale Dichter Georg Büchner hatte auch den Blick des Mediziners auf Menschen: Was passiert in den Körpern, was ist unter der Schädeldecke, welche Prozesse laufen in unseren Leibern ab? Wozzeck ist immer mit seinen Sinnen beschäftigt, mit Sehen, Riechen, Spüren, es schmerzt ihn, er spürt Wind oder Druck, ihn schwindelt. Wärmebilder von Menschen finde ich ein aufregendes Mittel, um die Körper ins Zentrum zu stellen. Durch die Farbigkeit und Form sehen einige Wärmebilder von Gesichtern auch ähnlich aus wie Gemälde von Munch, van Gogh und anderen großen Malern, die Farben nutzten, um eher psychische Zustände sichtbar zu machen, als die Realität abzumalen.

Nicola Raab: Für was werden Wärmebildkameras denn normalerweise verwendet, wo kommen die zum Einsatz?

Karsten Wiegand: Wärmebildkameras zeigen die Temperaturen von Oberflächen an. Sie werden benutzt, um die Wärmedämmung von Häusern zu überprüfen, um Risse in Leitungen zu finden, um Glutnester nach Bränden zu finden. Sie werden bei der Jagd verwendet, um Tiere in der Dunkelheit zu sehen, zu identifizieren und zu jagen. Das Militär verwendet diese Kameras oft an Drohnen, um feindliche Soldaten zu finden, die sich versteckt haben. Das warme Blut und der Kreislauf mancher Lebewesen ist für die Wärmebildkamera hell sichtbar, auch wenn alles dunkel ist.

Nicola Raab: Das ist ja ein spezifischer Kontext also, in dem Menschen oder Tiere gesucht werden, entdeckt
werden, wo wir sie sonst nicht sehen würden, auch gejagt werden. Kann man sagen zum Opfer werden? Ist das auch ein Teil von dem, was Du erzählen möchtest?

Karsten Wiegand: Der gequälte Wozzeck, der seine Frau Marie tötet, ist Täter und Opfer. In unserer Aufführung erinnert er sich, wie alles gekommen ist und fragt sich, was anders hätte geschehen müssen. Wir sind als Zuschauer*innen in Alban Bergs grandioser Oper auch Voyeur*innen, für die dieses Menschenexperiment stattfindet. Da bringen diese besonderen Bilder der Wärmebildkamera viele Assoziationen von Jagd, von der Sichtbarkeit von Körpern, von hyperrealistischen, sehr psychischen und traumartigen Bildern, alle gehören zu dieser Erzählung über Marie und Wozzeck.


Wozzeck
Oper von Alban Berg / nach einem Dramenfragment von Georg Büchner zum 100-jährigen
Jubiläum der Uraufführung / ab 14 Jahren

MUSIKALISCHE LEITUNG Daniel Cohen
REGIE Karsten Wiegand
BÜHNE UND KOSTÜM Nehle Balkhausen
LICHT Stefan Bolliger
EINSTUDIERUNG CHOR Alice Meregaglia


Premiere am 17. Mai 2025, 19:30 Uhr | Großes Haus
Weitere Termine: 25. & 31. Mai, 13. & 21. Juni, 03. Juli

Infos und Tickets: Wozzeck