Mit Jacques Offenbach auf Reise durch E.T.A. Hoffmanns Werke

Man könnte meinen, es gäbe kaum einen weniger bühnenwirksamen Vorgang als einem Schriftsteller beim Schreiben zuzuschauen: Das Entscheidende spielt sich in der Vorstellung des Schaffenden ab, das künstlerische Ringen vielleicht nur in so klischeeverdächtigen Vorgängen wie hektischem Niederschreiben und ruhelosem Auf-und-ab-Schreiten – eigentlich wenig erbauliche Aussichten für einen Opernabend. Zum Glück ist in „Hoffmanns Erzählungen“ alles anders, denn Jacques Offenbach und sein Librettist Jules Barbier nehmen ihr Publikum mit auf eine Reise in die Erzählwelten des Dichters E. T. A. Hoffmann. Angeregt vom Geist des Alkohols, berauscht von der Vorstellung eines ihm zugeneigten Publikums stürzt sich der Dichter mittenhinein in drei Liebeserzählungen, die jeweils eine Frauenfigur ins Zentrum rücken – die künstliche Olympia, die mysteriös erkrankte Antonia und die freiheitsliebende Giulietta –, die für Hoffmann nichts weiter zu sein scheinen als Facetten einer einzigen Frau, die ihm als Idealbild den Blick auf die Realität verstellt. Durch alle Welten hindurch allerdings steht an Hoffmanns Seite eine Frau, deren Bezeichnung als Muse womöglich eher den zunehmend verzweifelten Versuch zum Ausdruck bringt, in ‚ihrem‘ Hoffmann gleichzeitig den Künstler zu stützen und den Menschen zu schützen.

Bühnenmodell von Robert Schweer
Das Bühnenbild entsteht...

Die Entstehungsgeschichte dieser Oper ist ebenfalls ein Beispiel künstlerischen Ringens, denn Offenbach starb im Oktober 1880 wenige Monate vor der umjubelten Uraufführung, ohne eine fertiggestellte Partitur hinterlassen zu haben. Aus dem unzählige Bearbeitungen von eigener wie von fremder Hand umfassenden Material für jede Produktion eine eigene Fassung zu schaffen, gehört zu den Herausforderungen dieser besonderen Oper, die mit einer Musik entlohnt, die vom funkelnden Offenbach’schen Operettenton über große Dramatik und bezaubernd innige Schlichtheit – wie in der berühmten „Barcarolle“ – viele Farben bereithält: ein Werk, das wie gemacht scheint für das Team um Regisseur Dirk Schmeding, das sich dieser großen, schillernden Dichter-Revue mit viel Fantasie und Humor, aber auch dem Zugriff auf die dunkelromantischen Züge dieser Oper verschreibt – denn wo der (Schaffens-) Rausch ist, lauert auch die Gefahr des Absturzes …

Hoffmanns Erzählungen