Naffie, du startest dein Engagement am Staatstheater Darmstadt mit der Produktion „Identitti“. Worum geht es für dich im Stück und was interessiert dich daran besonders?
Naffie Janha: Für mich geht es um die Suche einer jungen Frau, die sich ihr ganzes Leben lang nie so richtig zugehörig fühlen konnte, und auch um die Fragen: Wie gestalten wir Identitäten? Was machen Identitäten mit uns? Wie wichtig sind sie? Mich interessiert an dem Text besonders, dass er so aktuell ist. Ich habe beim Lesen des Romans festgestellt, dass mir viele Themen sehr vertraut waren, und dass ich sehr viel aus meinem eigenen Leben darin erkennen konnte. Ich denke, dass es auch vielen anderen jungen Menschen ähnlich gehen wird. Sprachlich finde ich es spannend, dass sich ganz viel Wissen mit Popkultur und Humor abwechseln.
Was reizt dich besonders an deiner Figur Nivedita?
Dass sie eine ganz aufrichtige Neugierde und ein wirkliches Interesse an den Menschen hat. Sie ist ja im Stück eine der wenigen, die sich nicht sofort von Saraswati abwenden, sondern bleibt erstmal und möchte mit ihr in den Dialog gehen. Trotzdem würde ich Nivedita nicht als Opfer oder als schwach oder sowas bezeichnen. Sie schafft es ihre Standpunkte deutlich zu machen und sich durchsetzen, ohne hart zu werden. Außerdem finde ich an der Figur ganz toll, dass ihre Familie mütterlicherseits aus dem Ruhrgebiet kommt, ich bin selbst in Duisburg geboren und aufgewachsen, und da habe ich vieles wiedererkannt.
Wie habt ihr euch in den Proben dem Text und den Figuren angenähert?
Am Anfang haben wir uns eine ganze Woche Zeit genommen, um uns kennenzulernen, auszutauschen und in eine gemeinsame Recherchephase zu gehen, was ich bei so einem Thema sehr wichtig finde. Ich würde sagen, jetzt ist unsere größte Aufgabe, die zwischenmenschlichen Beziehungen rauszuarbeiten. Klar, es gibt auch ganz viele Texte und Theorien über Rassismus im Stück, aber was für mich eigentlich spannend ist, sind Fragen wie z.B: Wie gehe ich damit um, wenn ich betrogen werde?
Auf welche Fragen seid ihr sonst noch gestoßen?
Ich merke, dass ich mich stark mit den Themen des Stückes beschäftige, die über unsere Inszenierung hinausgehen, zum Beispiel hier in Darmstadt durch die Innenstadt laufe und die Menschen sehe, und merke, dass diese Stadt sehr divers ist, und hier viele verschiedene Menschen leben. Und dass Diversiität trotzdem 2022 noch so ein großes Thema ist – das ist etwas, womit ich mich gerade stark auseinandersetze.
„Identitti“ endet mit einer Utopie – wie würdest du diese beschreiben?
Am Ende vom Roman geht es darum, dass wir versuchen müssen, einander zu erkennen, und dass wir uns am besten immer wieder daran zurück erinnern müssen, dass unser Gegenüber auch verletzlich ist, dass wir gerade mit einem anderen Menschen reden – dass wir mit Liebe mehr erreichen können als mit Hass. Das finde ich sind alles sehr schöne Gedanken, glaube aber, dass wir davon als Gesellschaft leider noch sehr weit entfernt sind. Aber ich denke, dass wir jetzt gerade an so einem Punkt sind, wo viele merken, vieles von dem, was sich in den letzten Jahren so festgesetzt hat, geht so nicht mehr weiter. Ich hoffe, dass die Leute, die sich das Stück ansehen, sich darin wiedererkennen können, und sich ermutigt fühlen, auf Konflikte anders draufzuschauen und etwas zu bewegen.
Das Gespräch führte Dramaturgin Christina Zintl