Im Gespräch mit der Ausstatterin Barbara Lenartz und der Maskenbildnerin Kirsten Roser* zu "Jedermann ist niemand und niemand ist Jedermann"

Im Gespräch mit der Ausstatterin Barbara Lenartz und der Maskenbildnerin Kirsten Roser* zu "Jedermann ist niemand und niemand ist Jedermann"


Barbara Lenartz, Szenografin und Kostümbildnerin für die Produktion "Jedermann":  Heutzutage gibt es nicht mehr diesen einen Jedermann, der exemplarisch für alle steht. Wir haben mehrere Jedermänner auf der Bühne. Das Jedermann-Kostüm haben wir sehr heutig gesetzt. Es sind im Prinzip Leute, die man auch auf der Straße sehen kann. Adidas-Terror-Hipster, wie ich sie gerne nenne, waren die ursprüngliche Inspiration, die ich im Kostüm artifiziell überhöhe.

Anders als beim klassischen "Jedermann", haben wir eine Mutter UND einen Vater. Die Mutter ist angelehnt an Evelyn Harper in "Two and a Half men", eine sehr klassische, adrette amerikanisch anmutende Mutter. Gespielt von Béla Milan Uhrlau. Der Vater hat den Kopf von Hugo von Hofmannsthal, dem Autor des Stücks und wird von Naffie Janha gespielt.



Als weitere Ebene gibt es noch die allegorischen Figuren beim "Jedermann". Der Tod, Teufel, Glaube und Mammon. Alle sind stark verfremdet mit Schwellköpfen, die von der Maskenabteilung großartig gefertigt wurden. Die Allegorien sollen überhöht ein Prinzip darstellen. Eine Figur ohne Biografie und psychologischen Unterbau, allein ein Bild, eine Funktion. Aufgrund dessen wählte ich die starke Überhöhung mit den großen Köpfen.  Sie bilden ein interessantes Spannungsfeld zu der Jedermannebene.

Die Figur des Mammon ist der Geldsack "Jedermanns" in Persona, sein materieller Besitz. Oft gespielt von einem kräftigen Mann, wollte ich die Figur lieber weiblich anlegen. Eine alte puppige Frau mit barroker Hochsteckfrisur ist es dann geworden.

Die Werkstätten waren mit großer Begeisterung auch für Dinge zu haben, die noch künstlerische Offenheit mit sich bringen. Bei solch künstlerischen Objekten wie den Schwellköpfen ist es wichtig, dass auch in der Herstellung noch genügend Freiheit besteht, um im Fluss zu gestalten. Das war mir wichtig bei der Übergabe an die Maske, dass sie sich mit Spaß der Figur annähern können.

Kirsten Roser, Maskenbildnerin: Bei meinem Knecht z.B. war die Vorlage nicht ganz eindeutig (die Zeichnung war nur skizziert) und ich hatte freie Gestaltung, was das Gesicht im Detail angeht. Das heißt, ich habe mir selbst Fotos aus dem Internet gesucht um eine Vorlage zu haben: wie die Schlupflider aussehen, wie ich meine Nase oder die Ohren gestalte usw.



Die Außenmaße betragen ca. 50 bis 35 cm, individuell unterschiedlich bei allen Köpfen.
Am Anfang habe ich mir eine Gipsbüste geschnappt und diese mit Schaumstoff umwickelt, um einmal den Gips zu schützen, aber auch, um an Größe und Volumen aufzubauen. Das alles mit Hasendraht umwickelt, damit die Plasteline, mit der ich modelliere, auch auf der Konstruktion hält und nicht runterrutscht. Um die Plasteline bearbeiten zu können, musste sie erwärmt werden, dazu haben wir sie in unseren Ofen gestellt und bei ca. 50 Grad wird sie modellierfähig.
 

Ich habe erstmal soviel wie notwendig für die Außenmaßen aufgebaut und dann wieder weg genommen, wieder aufgebaut, bis alles passte. Langsam nähert man sich der Form an und dann geht´s ans Detail. Nasenform, Augen, Kleine Fältchen, Dicke Backen und Doppelkinn. Trauben im Haar, kleine Haarsträhnen ins Gesicht. Je nachdem welche Figur gerade erarbeitet wird...Dafür habe ich Holzspatel verwendet und teileweise Dentalbesteck. Aber hauptsächlich auch mit meinen Fingern gearbeitet.

Die Produktion ist für mich total spannend, da wir so außergewöhnliche Aufgaben haben. Einen Riesenkopf zu modellieren, der aufsetzbar ist.

Nach dem Modellieren kommt ja später noch der "Maskenbau" dazu. Kaschieren (Papierfetzen mit Kleister in kleinen Stücken Schicht für Schicht aufbringen), dann die Unterkonstrukion bauen, damit der Kopf tragbar wird. Und das vor allem ja nicht nur einmal, sondern wir sollten ja 7 solcher Kopfe basteln. Kopf Nummer 8 ist "nur" ein Kopf aus Stoff - dazu habe ich aber auch die Unterkonstruktion gebaut, konnte es aber dann ans Kostüm abgeben, weil sie eh das Kostüm mit demselben Stoff genäht haben. Mit jedem Kopf hat man neue Erfahrung, die man beim anderen Kopf einbringen kann.

*Kirsten Roser und Martina Prothmann sind hauptverantwortlich für die Maske im Stück, mit Unterstützung von Denise Opheim, Christoph Pietreck und Manuela Kutscher. 

Jedermann