Mit „Macbeth“ startet das neue Schauspiel-Team mit einer der faszinierendsten und spannendsten Tragödien von William Shakespeare auf der großen Bühne. Im Gespräch erzählen der Schauspieldirektor Alexander Kohlmann, die leitende Regisseurin MizgÎn Bilmen und die leitende Bühnenbildnerin Sabine Mäder, was die Zuschauer*innen erwartet.
Macbeth – dürfen wir das überhaupt sagen? Was hat es damit auf sich, dass man diesen Titel nicht ausspricht?
Alexander Kohlmann: Es gibt ja im Theater sehr viele Traditionen, man könnte auch sagen viel Aberglaube. Im Falle des schottischen Stücks glauben nicht wenige Theatermacher, dass die Aussprache des Titels Unglück bringen könnte und dunkle Mächte hinaufbeschwört. Auch wenn wir mit diesem Erbe ein wenig augenzwinkernd umgehen, ist nicht zu leugnen, dass es kaum einen Text von Shakespeare gibt, der so sehr
mit der Existenz einer unheimlichen Parallelwelt spielt, die die Menschen in ihrem Handeln beeinflusst. Das
Dunkle liegt in Macbeth nur einen Steinwurf entfernt.
MizgÎn Bilmen: Naja – laut dem Aberglaube sollten wir das nicht. Dennoch denke ich, dass es das Wesen des Theatermachens ist, Dinge zu sagen oder zu tun, die man eigentlich nicht tun oder sagen sollte.
Sabine Mäder: Es ist sehr unterhaltsam, welche Schreibweisen und Namen innerhalb des Theaters während der Produktion erfunden werden, um in Emails und Dokumenten eben nicht Mac… zu schreiben.
Das ist eure erste Premiere am Staatstheater Darmstadt. Warum ist eure Wahl auf Macbeth gefallen?
AK: Wir haben über viele Stoffe gesprochen- Für mich war ausschlaggebend die Möglichkeit, die Spielzeit auf
der großen Bühne zu eröffnen, die alleine durch ihre gewaltigen Ausmaße schon eine monströse Ausstrahlung hat, vor allem, wenn man sich, wie in unserer Inszenierung als Zuschauer*in auf der Bühne befindet. Unter den Shakespeare-Stoffen ist „Macbeth“ einer von denen, die mit ihrer zeitlosen Analyse von Verführbarkeit, Erotik und Macht nicht nur viel über unsere Zeit und ihre Protagonisten erzählen können, sondern auch noch extrem spannend sind. Der Text liest sich wie ein gut gebauter Thriller und ist so abgründig, dass es enorm Spaß machen kann ihm auf der großen Bühne zu folgen. Das ist wie bei einer guten HBO-Serie, man kann nicht aufhören, weiter hinzusehen.
MB: Sowas ist ja immer ein längerer Prozess- also die Entscheidung zu treffen womit man sich vorstellen
möchte. Es gab natürlich noch einige andere Stoffe die zur Debatte standen. Macbeth vereint inhaltlich so ziemlich alles, was mich umtreibt als Mensch und als Theaterregisseurin. Die Frage nach dem, was den Menschen im Kern zusammenhält oder die Frage nach dem Wesen der Macht. Shakespeare als Autor erlaubt mir seine Stücke zu erzählen ohne aber dabei meine künstlerische Eigenwilligkeit zu verleugnen und eben auch gegen den sogenannten Strich zu inszenieren. Uns war es wichtig, dass wir uns wirklich so vorstellen, wie wir denken und sind ohne falsche Kompromisse einzugehen.
Macbeth ist die erste von gleich drei Schauspielproduktionen in der nächsten Spielzeit im Großen Haus, das gab es so noch nie. Wie werdet ihr diese riesige Bühne für das Stück nutzen?
AK: Die Bühne kann in ihrem Gigantismus überhaupt nicht versteckt werden. Jedes klassische Bühnenbild, würde alleine aufgrund der Ausmaße, die man als Zuschauer*in wahrnimmt, wenn man sich auf der Bühne befindet, klein erscheinen. Umgekehrt kann in unserer Raumsituation das Theater selber zur Kulisse werden. Wenn Sie über die Bühne in den leeren Zuschauersaal gucken wird der riesige Raum zu einer Landschaft, die den schottischen Highlands nicht unähnlich ist. Ein Seelenraum, in dem sich ungeahnte Abgründe auftun können.
MB: Ich möchte da jetzt nicht spoilern ;-)… Aber nur soviel vorab: die riesige Bühne fordert ihren Tribut, den wir ihr vollkommen geben werden.
SM: Ich beschreibe es immer so: wenn Macbeth seinen König ermordet, geht die Erde auf. Es öffnet sich der Boden unter seinen Füßen- ähnlich einem Vulkanausbruch, wenn vorher Risse im Boden entstehen und das flüssige Magma sichtbar wird- das versuchen wir auf dieser schönen großen Bühne. Wir arbeiten also stark mit der Poesie, die die Bühnentechnik an sich mitbringt, den langsamen und schnellen Bewegungen, den schwarzen Löchern, die sich auftun, mit großen bewegten Spiegelungen. Bei all dem sitzen die Zuschauer*innen auf der Hinterbühne, sozusagen mit auf der Bühne und bestenfalls wirkt dieser Raum nicht nur körperlich auf die Spieler*innen sondern auch auf uns Zuschauende.
Es wird gemordet, es geht um Macht und Intrigen. Gibt es in Macbeth auch etwas, das Hoffnung macht?
AK: Na die Hoffnung liegt ja immer darin, dass die Taten der Diktatoren nicht unwidersprochen bleiben und es eben doch implizite Werte gibt, deren Übertretung Folgen hat, nicht zuletzt für Macbeth und seine Lady selber. Beide hadern mit ihren Taten, auch wenn sie für den Augenblick erfolgsversprechend sein mögen. Und beide bekommen enorme psychische Probleme. Gerade dadurch, dass in diesem Text die Grenzüberschreitung als eine derartige Ungeheuerlichkeit inszeniert wird, zeigen sich die verletzten Normen des Zusammenlebens, die bis heute Grundlage der westlichen Welt sind.
MB: Ich kann da nur für mich sprechen… Theater und Leben, Kunst und Wirklichkeit sind für mein Wesen nur schwer trennbar – eigentlich gar nicht. Deshalb muss ich diese Frage mit einem Zitat von Heiner Müller beantworten: „Hoffnung ist nichts weiter als der Mangel an Informationen“. Mich persönlich trifft „Hoffnung“ nicht, da ich schlecht darin bin, mir was vor zu machen in Anbetracht des Zustands der Welt. Und da kommt wieder das Theatermachen ins Spiel… Denn das ist das einzigen, was ich kann und von dem ich überzeugt bin, dass es die Kraft besitzt die nötige Sehnsucht in uns zu wecken um einen anderen Zustand der Welt zu ermöglichen. Deshalb nochmal zur Fragestellung- Hoffnung ist hier eher als Sehnsucht zu verstehen, und diese Sehnsucht ist eben ambivalent.
Wer sind für euch im Hier und Jetzt die drei Hexen?
AK: Die drei Hexen tun selbst überhaupt nichts. Es sind die Menschen, die die schrecklichen Taten im Stück begehen. Zur Shakespeare-Zeit waren gute und böse Geister selbstverständliche Bewohner*innen unserer Welt. Heute sehen wir das vielleicht ein wenig anders, aber das Grundprinzip bleibt. Die Hexen appellieren an unsere dunkle Seite, an den Willen zur Macht und die Sehnsucht danach, für sich selbst einen Vorteil zu sehen. Diese Ideen haben wir, glaube ich, alle, allerdings gehen die Menschen unterschiedlich mit den Angeboten der Hexen um. Nicht jeder wechselt auf die Dunkle Seite wie Macbeth. Die meisten Menschen widerstehen den dunklen Gedanken. Vielleicht sind die Hexen genau das, dunkle Gedanken.
MB: Hüter*innen alten Wissens, das durch die Moderne in Vergessenheit geriet und heute durch den neoliberalen Lifestyle unter Beton begraben scheint. Aber wie immer: Die Natur erobert sich durch die Zeit ihren Raum zurück.
SM: Für mich sind die drei Hexen, unabhängig von einer Zeit, immer ein Teil von uns Menschen. Sie sind in uns, ein Bestandteil von uns.
Was habt ihr für eure erste Spielzeit in Darmstadt noch geplant?
AK: Wir spielen neben Macbeth noch zwei weitere große Klassiker-Inszenierungen im Großen Haus, die alle mit den für eine Schauspielproduktion enormen Dimensionen des Raumes umgehen. „Krieg und Frieden“ in der Regie von Martin Laberenz wird mit Tolstois Jahrhundertroman einen Widerhall der Napoleonischen Kriege auf die Bühne bringen, der bis in die jüngste Gegenwart reicht. Philipp Preuss und sein Team werden in der „Kirschgarten“ von einer Gesellschaft erzählen, die die Zeichen der Zeit nicht bemerkt, bis die ersten Bäume gefällt werden. Das sind alles bildgewaltige Projekte mit unserem tollen Schauspielensemble, die so nur in Darmstadt zu sehen sein werden. Dazu kommen zahlreiche Premieren und Erstaufführungen in den Kammerspielen, darunter so unterschiedliche Stoffe wie eine Neubearbeitung von Jane Austens berühmten „Stolz und Vorurteil“-Roman und eine Reise zu den Sternen mit „Interstellar“. Jede Inszenierung soll einen anderen Ton anschlagen, jedes Regieteam einen sehr eigenen Weg finden. Wir wollen unsere Zuschauer*innen immer wieder neu überraschen.