Kooperation zwischen Stadtkirche und Staatstheater

Sonntag, 08. März: Hoffnung in der Verzweiflung - Fidelio

10:00 Uhr, Stadtkirche Darmstadt 

"Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen,
was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem,
was man nicht sieht" (Hebr.11,1).

Mit: Carolin Müller-Dohle (Dramaturgin)
Liturgie: Karsten Gollnow
Musik: Darmstädter Kantorei, Christian Roß


Johannes Brahms: „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen“

„Gott! Welch Dunkel hier!“: In der tiefsten Dunkelheit seines Kerkerverlieses hat Florestan, Opfer willkürlicher Staatsgewalt, eine leuchtende Vision. In der Gestalt eines Engels erscheint ihm tröstend seine Gattin Leonore – ein Hoffnungsschimmer inmitten der Erfahrung größten Leids und tiefster Verzweiflung. Das Prinzip Hoffnung treibt auch Leonore durchweg an und macht sie zur Impulsgeberin der gesamten Handlung der Oper: Unerschütterlich vertrauend bahnt sie sich den Weg ins Dunkel zu Florestans Kerker und zerschlägt schließlich seine Fesseln. Beethovens 1814 uraufgeführte Oper Fidelio handelt von der ungeheuerlichen Willensanstrengung ihrer Protagonistin, deren Ideale und Handlungen von einem religiösen Empfinden getragen sind; die Begriffe Liebe und Hoffnung dienen als Leitmotive zur (Wieder-)Erringung der Freiheit. Und doch: Zeigt sich in der Tatsache wie exzessiv das Werk und der in ihm strahlend besungene Freiheitsbegriff von Machtsystemen ideologisch vereinnahmt und pervertiert wurde, dass die Wurzeln von Kunst und Barbarei, Zivilisation und Unmenschlichkeit verflochten sind? Eine Spurensuche zwischen Licht und Schatten.

Download der Predigt (79,35 kB, pdf)


Sonntag, 15. März: Nachfolge - von Vergangenheit frei machen - Othello

10:00 Uhr, Stadtkirche Darmstadt 

"Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück,
der ist nicht geschickt für das Reich Gottes." (Lk.9,62).

Mit: Karoline Hoefer (Dramaturgin)
Liturgie: Karsten Gollnow
Musik: Uwe Mattes, Schlagzeug


Nebojsa Zivkovic: Suomineito
Mark Glent: Worth Blues for Gilbert
Michael Lang: Phillis

William Shakespeares Tragödie „Othello“ kreist um Macht und Gewalt, um Hass und Liebe. Vor allem verhandelt das Stück die Konflikte einer mächtigen weißen Männer-Gesellschaft gegen den
Titelhelden, einen erfolgreichen schwarzen Söldner-General. Jago täuscht seinen Vorgesetzten Othello, getrieben von Neid und rassistischem Hass. Das Gift von Jagos Intrige und seine diffamierende Sprache verbreitet sich immer weiter, bis Othello isoliert steht, den freien Blick verliert und glaubt, dass seine geliebte
Frau Desdemona ihn betrügt. Auf seiner Mission unter der Sonne Zyperns, auf die ihn sein Fürst schickt, verzerren sich Wahrheit und Wahrnehmung immer mehr: Im Intriganten Jago sieht Othello einen Vertrauten, im loyalen Cassio den Betrüger, in der treuen Desdemona eine Hure. Je mehr die beidseitige Liebe, die dem
Kriegshelden in einer Gesellschaft voller Vorurteile gegen ihn einen Halt gab, ihre Unbedingtheit verliert, umso mehr verstrickt sich Othello in einen Wahn. – Muss er darin schuldig werden? – Regisseur Gustav Rueb befragt den über 400 Jahre alten Klassiker hier und heute auch danach, wie zwangsläufig scheinbare
Gesetzmäßigkeiten in dieser Männer-Welt ablaufen müssen.


Sonntag, 29. März: Freut Euch - allem Leiden zum Trotz!" - Requiem für einen jungen Dichter

10:00 Uhr, Stadtkirche Darmstadt 

"Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt,
bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht." (Joh.12,24).

Mit: Karsten Wiegand (Intendant, Regisseur)
Liturgie: Karsten Gollnow
Musik: Klaus Opitz, Viola


Georg Phillip Telemann: Siciliana - Vivace aus: Fantasie Nr. 9)
Ernst Krenek: Allegro moderato, energico aus: Solosonate
Johann Sebastian Bach: Bourrée I - Bourrée II aus: Suite Nr. 3

„Weh dem, der allein ist“ (Der Prediger Salomo 4,10). Mit jenem Bibelvers schließt Bernd Alois Zimmermanns letzte Komposition. Sein 1969 entstandenes, monumentales „Requiem für einen jungen Dichter“ wirft einen Blick auf politische Strömungen und Machtstrukturen in der Zeitspanne von 1918 bis 1969. Mit einem gigantischen Aufgebot von vier Chören, Orchester, Jazzband, Orgel sowie Sopran, Bariton und zwei Sprechern findet Zimmermann einen einzigartigen musikalischen Ausdruck für die bange Frage nach der Zukunft angesichts Unterdrückung und wiederkehrenden Kriegen. Mittels Einspielungen von Tonbandaufnahmen der Stimmen von Adolf Hitler, Josef Stalin oder Winston Churchill bietet jenes Werk eine konkrete Verortung in der europäischen Vergangenheit und verweist gleichzeitig auf aktuelle politische Missstände. Mithilfe der Mitwirkung weiterer Chöre aus der Region erinnert das Staatstheater Darmstadt an jenen Teilnehmer der Darmstädter Ferienkurse, der sich 1970 im Alter von 52 Jahren das Leben nahm.


Sonntag, 5. April: Glaubensprüfungen - Der gute Mensch von Sezuan

10:00 Uhr, Stadtkirche Darmstadt 

"Die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger
als die Kinder des Lichts. Macht euch Freunde mit
dem ungerechten Mammon" (Lk.16,8f.).

Mit: Oliver Brunner (Schauspieldirektor, Dramaturg)
Liturgie: Karsten Gollnow
Musik: Michael Veit, Violoncello


Egon Wellesz: Sonate für Violoncello solo
Johann Sebastian Bach: Sarabande G-Dur aus: Suite G-Dur Nr. 1 für Violoncello BWV 1007
Johann Sebastian Bach: Sarabande C-Dur aus: Suite C-Dur für Violoncello Nr. 3 BWV 1009

Erzählt wird die Geschichte einer moralischen Frau, die ein Dilemma hat: Die himmlische Macht schaut in diesem Stück mit Sorge auf die Menschen, denn deren Moral zerfällt beunruhigend schnell. Drei Götter werden in die chinesische Provinz Sezuan entsandt, um die letzten guten Menschen zu finden. Nur bei der Prostituierten Shen Te haben sie Glück: Trotz ihrer eigenen Not bietet diese den getarnten Göttern ein Nachtquartier an. Als Dank erhält sie 1000 Silberdollar. Von dem Geld erwirbt Shen Te einen
Tabakladen. Doch bald ist sie fast schon wieder ruiniert. Zahlreiche Hilfsbedürftige kommen zu ihr und nutzen ihre Gutmütigkeit schamlos aus. Shen Te erkennt, so wird das nichts. So erfindet sich Shen Te einen Vetter, Shui Ta, in dessen Maske sie schlüpft, um gegen die, die sie ausnutzen wollen rigoros vorzugehen. Shui
Ta verrichtet schnell und skrupellos sein Werk und rettet Shen Te damit vor dem Ruin. Doch dann verliebt sie sich in den arbeitslosen Flieger Yang Sun, und muss erkennen, dass dieser sie nur wegen ihres Geldes heiraten will. Selbst die Liebe ist ein Geschäft und Shen Te lernt: Nur wer seine moralischen Maßstäbe
an die kapitalistische Welt anpasst, kann überleben.