Regisseur Andreas Merz-Raykov im Gespräch mit Dramaturgin Karoline Hoefer

Was schätzt Du an dieser klassischen Komödie?
Das Stück stammt aus der Tradition der Commedia dell'arte und damit auch ein bisschen aus dem Straßentheater – und dort gelten ganz spezielle Regeln. Wichtig ist, das Publikum in jedem Moment an die Handlung zu fesseln – ohne tiefenpsychologische Hintergründe oder zu komplizierte Verwicklungen. Jeder Moment muss allein für sich in der Lage sein, die ganze Geschichte schon im Kleinen zu erzählen und so mitzureißen.

Aus welchem Blickwinkel betrachtest Du das Stück?
Es ist seit Goethes Zeit eines der meistgespielten Stücke auf deutschen Bühnen und wurde bereits auf alle möglichen Arten aktualisiert: als Gangsterkomödie, als Arbeitslosendrama... Ich denke, viel interessanter ist es, die ursprüngliche Energie des Textes anzuzapfen: Das ist eine urkomische Theater-Anarchie, die sich unaufhaltsam auf der Bühne breit macht und nach und nach alle sozialen Grenzen sprengt.

Du hast viel in Russland gearbeitet, wo Du ein renommierter Regisseur bist. Siehst Du bemerkenswerte Unterschiede zwischen der deutschen und russischen Theaterarbeit?
Polemisch würde ich sagen: Russisches Theater hat keinen Kopf, deutsches keinen Körper. In Russland reflektiert man oft zu wenig, in welchen gesellschaftlichen Zusammenhängen ein Stück gelesen werden kann – wichtig ist dort, dass die Spieler*innen emotional und darüber auch körperlich begreifen, was sie auf der Bühne tun. Mein Ziel dort war es immer, eine Synthese herzustellen zwischen einem intellektuellen und einem emotionalen Zugang – sozusagen russisches Theater mit deutschen Untertiteln. Mal sehen, was nun in Darmstadt passiert...