Gespräch mit Edda Wiersch, Sebastian Schulze und Béla Milan Uhrlau

Christoph Mehler inszeniert "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" nach dem Roman von Erich Kästner als Großstadt-Revue mit Live-Band

Erich Kästners Roman "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" konnte 1931 aufgrund der Zensurbestimmungen nur in einer deutlich gekürzten Version erscheinen. Aus heutiger Perspektive erscheint die Geschichte des Moralisten Jakob Fabian als hellsichtig, ja geradezu prophetisch. Immer wieder lässt sich der Abgrund erahnen, auf den Deutschland zu Beginn der dreißiger Jahre zusteuert. Dabei erzählt Kästner eigentlich die wunderschöne Geschichte einer Freundschaft, und den Versuch anständig zu bleiben, während ringsherum die Wirtschaftskrise tobt, die Verhältnisse sich auflösen und die Suche nach echter Liebe immer auswegloser erscheint. Christoph Mehler wird Kästners Roman als große Revue mit Musik auf die Bühne bringen, als Tanz auf dem Vulkan, den man unter der großen Stadt Berlin in den zwanziger Jahren bereits brodeln hören konnte…

Béla Milan Uhrlau ist Jakob Fabian, Sebastian Schulze sein Freund Stephan Labude und Edda Wiersch ist seine Geliebte Cornelia Battenberg. Das Interview mit den drei Spieler*innen vor Probenstart führte Produktionsdramaturg Oliver Brunner.

(C) Jennifer Hörr

Inwieweit war dir Erich Kästners Roman, mit dem ursprünglichen Titel „Der Gang vor die Hunde“ schon bekannt? Was verbindest du persönlich mit Kästner, was mit dem Roman?
Edda Wiersch (EW)
Ich habe das Buch vorher nicht gelesen (jetzt schon), nur den Film gesehen, von dem ich unglaublich begeistert bin. Eine einzigartige Bildkraft und Liebe zum Detail. Einfach genial.
Sebastian Schulze (SSch) Der Roman war mir erst mal gar nicht so bekannt. Ich bin zwar schon darüber gestolpert, als ich mich für eine andere Arbeit über Kästner informiert habe, aber bis zu der Verfilmung von Dominik Graf kannte ich den Roman nicht. Mit Kästner verbinde ich die Bücher, die mir als Kind vorgelesen worden sind bzw. die ich selber gelesen habe, wie „Pünktchen und Anton“ oder „Emil und die Detektive“, in denen Kinder die Helden und Schlauen sind, weitaus schlauer als die meisten Erwachsenen. Das war als Kind natürlich etwas Fantastisches, so eine Geschichte aus der Perspektive der Kinder, die trotzdem in der Erwachsenenwelt spielt.
Béla Milan Uhrlau (BMU) Tatsächlich sind mir Kästner oder seine Werke vor allem in meiner Kindheit begegnet. Ich war daher zu Anfang auch überrascht ihn auf dem Spielplan zu lesen, kannte ich ihn doch nur als Kinderbuchautor. „Fabian“ war mir daher auch zunächst kein Begriff. Die „Konferenz der Tiere“ habe ich als Kind geliebt und als Hörbuch etliche Male gehört.

Berlin der 1920/30er-Jahre. Ein besonderer Ort, eine besondere Zeit. Verbunden mit Sehnsüchten, Leben und Gefahren. Eine Zeit des Umbruchs. Wie blickst du auf diese Zeit, diesen Ort von dir, von heute aus?
EW Durch den Abstand ergeben sich natürlich idealisierte und romantische Vorstellungen aus der Zeit, aber genauso lässt es mich schaudern, wenn ich die Parallelen zu unserer heutigen Zeit sehe.
SSch Die 1920er-Jahre sind für mich eine wilde Mischung aus Freiheit, Aufbruch und tiefem Fall. Man fragt sich doch, was wohl gewesen wäre, oder wo wir heute wären, wenn es den Börsencrash von 1929 nicht gegeben hätte, die dadurch resultierende Armut und 6 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Das alles war Nährboden für rechts und links und schließlich für den Aufstieg der Nationalsozialisten. Wobei die Weimarer Republik eigentlich vielen Dingen den Weg bereitet hatte, die heute noch in unseren Grundgesetzen verankert sind. Außerdem war da die Mode, die Musik und die sich neu definierende Sexualität. Berlin war wohl Mitte der 1920er-Jahre die beliebteste Stadt der Welt.
BMU Berlin ist mir als meine Geburtsstadt, in der ich aber nie lange gelebt habe, gleichzeitig vertraut und doch fremd. Man sieht der Stadt an jeder Ecke ihre lange und wilde Geschichte an und doch hat sie als „globale Metropole“ etwas Zeitloses. Außerdem ist sie extrem rastlos, was ich spannend finde und sehr gut zu Fabians Charakter passt.

Wer ist Battenberg, wer ist Fabian, wer ist Labude für dich? Wie willst du die Figur erzählen?
EW Das werde ich zusammen mit Christoph Mehler und meinen wunderbaren Kolleg*innen erfahren. Auf jeden Fall mit ordentlich Lust und Energie und Spaß!
SSch Labude ist für mich ein Melancholiker, jemand, der am Zustand der Gesellschaft krankt, diese aber verändern will. Er ist gut situiert, eloquent und trotzdem ein Träumer. Die Beziehung zu Fabian ist im Prinzip die einzige, die er hat.
BMU Ich stehe noch sehr am Anfang der Arbeit an Fabian. Aber seine humorvolle bis satirische Art mit der Welt umzugehen, in der er sehr verloren scheint, interessiert mich. Gleichzeitig wirkt er sehr müde und unglücklich, stellt sich oft die Sinnfrage. Das sind Punkte, an denen ich sowie das Publikum anknüpfen kann.

Ist Fabian an Berlin oder in der Elbe ertrunken?
EW Fabian hat sich an Berlin „betrunken“ um dann in der Elbe zu ertrinken… Ursache-Wirkung.
BMU Das ist doch eine Suggestivfrage! Ich bin mir gar nicht sicher, ob der Fluss im Buch benannt wird, aber wahrscheinlich macht die Elbe Sinn. Ertrunken ist er natürlich darin, gestorben ist er allerdings schon die ganze Zeit, aber eher an der Welt, denn an Berlin.

Fabian oder Der Gang vor die Hunde


Edda Maria Wiersch, 1992 in Karlsruhe geboren und aufgewachsen, begann 2015 ihr Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" in Leipzig, das sie 2019 abschloss. 2017-2019 gehörte sie zum Schauspielstudio am neuen theater Halle, hier arbeitete sie u.a. mit Matthias Brenner, Ronny Jakubaschk und Henriette Hörnigk und übernahm die Rolle der Marisa in der Inszenierung "Kriegerin". Während ihrer Studienzeit spielte sie in Hamburg am St.Pauli Theater an der Seite von Eva Mattes in dem Mutter-Tochter-Drama "Lasst mich in Ruhe" von Klaus Pohl. Seit der Spielzeit 2019/2020 ist sie festes Ensemblemitglied am Staatstheater Darmstadt.

Sebastian Schulze wurde 1991 in Sigmaringen geboren, studierte Schauspiel an der Hochschule der Künste in Bern und gastierte neben und nach dem Studium an den Bühnen Bern, am Theater Basel, und am Theater Luzern. In der Spielzeit 2021/22 war er am Vorarlberger Landestheater in Bregenz engagiert. Er arbeitete u.a. mit Regisseur:innen wie Johannes Lepper, Niklas Ritter, Nora Schlocker und Heike M. Götze. Seit der Spielzeit 2022/23 ist Sebastian Schulze festes Ensemblemitglied am Staatstheater Darmstadt.

Béla Milan Uhrlau studierte Schauspiel an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München mit Abschluss 2014. Während des Studiums spielte er u. a. am Metropoltheater München und in Hamburg und wirkte bei Kurzfilmen sowie TV- Produktionen mit. Ab der Spielzeit 2013/14 war er als festes Ensemblemitglied am Stadttheater Ingolstadt engagiert. Dort spielte er unter anderem die Titelrolle in "Hamlet – Prinz von Dänemark" (Hamlet) und war in "Der Tartuffe" (Damis), "Die Perser" (Xerxes), "Geächtet" (Abe) und "Nathan der Weise" zu sehen. Seit der Spielzeit 2017/18 ist Béla Milan Uhrlau festes Ensemble-Mitglied im Schauspiel am Staatstheater Darmstadt.