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"Das Staatstheater Darmstadt kann Cinema, mit beachtlich tragikomischem Gehalt." Die deutsche Bühne

"So entfaltet sich dieses Theaterstück als großes Kino." Darmstädter Echo

"Das Staatstheater Darmstadt kann auch Kino." hr2-Kultur, am Morgen
 

Als diesen März auch am Staatstheater Darmstadt der Probenbetrieb eingestellt wurde, haben wir nachgedacht: Über Anne Leppers Geschichte um isolierte Kinder, Menschen, die in sich und einem Heim fest-sitzen. Matthias Ripperts Regieansatz war es, das Stück von den tiefen Rollenprofilen ausgehend sehr statisch, mit Sinn für das Timing und den schwarzen Humor in Leppers Sprache zu erzählen. Dabei spielt das Kostümbild, das Johanna Lakner entwarf, eine zentrale Rolle. Mit einem Umfang von gut zwei Metern verunmöglichen diese Kostüme jegliche körperliche Nähe und haben installativen Charakter. Schnell kam es zum gemeinsamen Entschluss, einen Film zu drehen. Das Ergebnis ist mehr als abgefilmtes Theater. Es ist kein Theater mehr; es ist kein reiner Film. Zwei Kunstformen kommen zusammen und lassen mit den ihnen eigenen Mitteln einen literarischen Text lebendig werden, eine Geschichte:

Durchhaltewillen ist gefragt! In einem Heim in den Bergen hat der bewunderte Dr. Bärfuss akribische Regeln für eine "Kur" aufgestellt, mit deren Hilfe dicke Kinder abspecken und vielleicht wieder zu "richtigen" Menschen werden sollen. Doch Bärfuss ist nicht da. Alle Hoffnungen richten sich auf seine Ankunft. Erst wenn der Doktor den Erfolg bescheinigt, soll das eine Heimkehr ins alte Leben ermöglichen. Mit rührender Eisernheit wiederholen die Insassen Lehrsätze, ermahnen und überwachen einander. Als Leitbild dient der wunderbar schlanke Sebastian. Max, der schon lange hier ist, wünscht: „Ach wäre ich doch wieder in meiner Klasse damit es endlich weitergeht das Leben und nicht weiter sinnlos vor sich hin stagniert". Neuankömmling Leo fällt es schwer, sich in die Absurdität einzufinden. Ihm macht auch zu schaffen, dass daheim der dünne Cousin Seymour seinen Platz eingenommen hat. Ob Seymour gehen wird, wenn er selbst geläutert und verdünnt heimkehrt?

Die schräge Parabel macht Kinder zu prototypischen Leidensgestalten des modernen Seins. Obskure Handlungsanweisungen, Vorschriften und Heilsversprechen halten sie auf einem Weg, von dem sie ahnen, dass er nie zu einem selbstbestimmten Ziel oder Glück führen kann. 

Im kurzen Gespräch mit Autorin Anne Lepper und Regisseur Matthias Rippert:

Sechs schnelle Fragen an Autorin Anne Lepper:

"Seymour" spielt in einem hermetisch abgeschotteten Heim. Die Isolation scheint wie eine harte Strafe für die Kinder. Wie geht es Dir gerade in Corona-Zeiten? – Was denkst Du macht Isolation mit Menschen?

Anne Lepper: Ich kann nur für mich sprechen und sagen, dass es mir gut geht und ich mir wünsche, dass es allen anderen Menschen auch gut geht, was aber definitiv nicht der Fall ist. Dass man sich nicht aussuchen kann, wo und wohinein man geboren wird, mag richtig sein, falsch ist, dass die Umstände, in die man hineingerät, vielfach keine glücklichen sind.

Warum schreibst du gerade für Theater?

Wenn ich versucht habe, Prosa zu schreiben, war immer ich selbst zu sehr im Text. Wenn ich ein Stück schreibe, dann sind die Figuren getrennt von mir. Meine Figuren sind meine Verwandten, meine Schwestern und Brüder, ich kenne sie gut, ich leide mit ihnen, bin mit ihnen wütend und freue mich mit ihnen aber ich bin nicht sie. Außerdem macht es mir Spaß.

In Zeiten der Pandemie und Streamings: Ginge bzw. geht Theater ohne Live-Publikum?

Ich kann nicht aufstehen und ostentativ den Saal verlassen. Auf der Bühne stößt sich keiner den Kopf, keiner verspricht sich.

Was hältst Du – in "Seymour", aber auch grundsätzlich – davon, wenn die Jungs immer von Männern und die Mädchen von Frauen gespielt werden?

Es ist grundsätzlich richtig, dass alle Rollen von allen möglichen Menschen gespielt werden können. Und es wäre auch richtig damit aufzuhören, Menschen zu schubladisieren und stattdessen anzuerkennen, dass wir alle mehr oder minder verschieden sind und dass Cornelia, obwohl sie eine Frau ist, sich doch stark von mir unterscheidet, obwohl auch ich eine Frau bin. Es wäre schön, wenn wir anerkennen könnten, dass alles vielfältig und komplex ist und es wäre schön, wenn wir diese Vielfalt aushalten könnten. Dann könnten wir uns anderen Fragen zuwenden.

Könn(t)en die Kinder ohne elterlichen Blick und ohne Dr. Bärfuss dauerhaft existieren?

Die Frage geht über das Stück hinaus. Ohne den Blick der anderen zu existieren, stelle ich mir schwer vor. Es ist schon Charlton Heston schwer gefallen, der letzte Mensch in New York zu sein. Und was macht man, wenn man machen kann, was man will? Man kann ins Kino gehen und sich die Woodstock-Aufzeichnung ansehen oder "three little birds" von Bob Marley hören, weil es vielleicht beruhigend ist, zu hören, dass alles gut werden wird.

Können wir etwas lernen aus Zeiten, in denen Familien anders aufeinander zurückgeworfen sind?

Ich bin dagegen zu denken, dass man aus Krisen immer auch etwas lernen können muss oder dass Krisen immer auch zu irgendwas gut sind. Besser wäre es vielleicht, wenn alle möglichen Krisen ein für alle Mal verschwänden und alles ein für alle Mal gut werden würde.
 

Drei Fragen an Regisseur Matthias Rippert
 

Unsere Spielzeit widmet sich dem Thema "Abschied von den Helden". Das zielt auch darauf ab, die meist einsamen, tapferen, weißen Männer, die unsere Geschichten prägen, zu hinterfragen. Wie passt das Stück "Seymour" von Anne Lepper für Dich damit zusammen?
Es gibt in dieser Geschichte keine Heldinnen oder Helden, alle wurden aus der eigentlichen Welt entfernt, weil sie dort nicht reinpassen, zu dick sind. Und noch bevor sie handeln können, nämlich als Kinder. Sie sind also aus der eigentlichen Geschichte enthoben in einen ort- und zeitlosen Raum, irgendwo in den Bergen abgestellt, einem Raum, dem sie nicht entkommen können, bis sie abnehmen. Aber das gerade tun sie nie. Es wird ihnen auch unmöglich gemacht. Sie warten alle auf ihren Erlöser, einen Doktor, der sie untersuchen soll, aber nie kommt. Das hat in der Form auch etwas sehr "Beckett"-haftes. Wir schauen eigentlich lauter ohnmächtigen Figuren zu.

Dich reizen sowohl Klassiker als auch zeitgenössische Dramatik auf die Bühne zu bringen. Ich schätze Anne Leppers Sprache und ihre schräge Phantasie. Was reizt Dich an dem Stück?
Ich liebe den Humor, der in dem Stück steckt, und die groteske Setzung. Und natürlich auch die Herausforderung, eine interessante Lösung dafür zu finden, wie erwachsene Schauspieler diese Kinder spielen. Ich bin ein Fan des Absurden.

Seymour spielt in den Alpen in einer sehr hermetischen Welt. Gleichzeitig bietet es viele Themen und Metaphern, die universaler erscheinen, an die man andocken kann. Was siehst Du darin? Was interessiert Dich daran?
Mich interessiert an dem Stück der Gedanke, dass dort jemand verspricht, mit einer simplen Lösung komplexeste Probleme lösen zu können. Du musst nur abnehmen, und alles andere gibt sich dann von selbst. Alle nehmen es unhinterfragt hin, es sind ja auch lauter Kinder. Spannend ist, wie im Laufe des Stückes diese Naivität bröckelt, die Figuren langsam zu zweifeln beginnen, und welche Konsequenzen sie daraus ziehen.


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Galerie

Termine

Keine bevorstehenden Termine.

Besetzung


Regie
Director of Photography
Bühne
Kostüm
Musik & Komposition
Robert Pawliczek
Dramaturgie