Regie: Paul-Georg Dittrich / Musikalische Leitung: Daniel Cohen / Komposition: Ludwig van Beethoven & Annette Schlünz

„Die Oper erwirbt mir die Märtirerkrone“, schreibt Ludwig van Beethoven an seinen Librettisten Georg Friedrich Treitschke während der Arbeit an Fidelio. Als Rettungs- und Befreiungsoper hatte er sie im Geiste der Französischen Revolution komponiert; 1805 als „Leonore“ uraufgeführt, 1806 überarbeitet und schließlich 1814 nach einigen umfassenden Änderungen, diesmal unter dem Namen Fidelio, erneut zur Aufführung gebracht. Allein aus dieser Tatsache wird ersichtlich, dass „Leonore“ / „Fidelio“ für Beethoven ein (zuweilen auch mit Rückschlägen und Zweifeln verbundener) work in progress war. 

Leonore, der es gelingt, unter dem Decknamen Fidelio ihren Ehemann Florestan aus den Kerkerverliesen des tyrannischen Gouverneurs Don Pizarro zu befreien, gilt seit der Uraufführung als Projektionsfigur für eine Freiheitsutopie, ja als Freiheitsengel schlechthin. In kaum vergleichbarer Weise wurde die Figur wie auch die Oper im Laufe der Rezeptionsgeschichte immer wieder von politischen Systemen vereinnahmt. Unter diesem Aspekt untersucht Paul-Georg Dittrich in seiner Inszenierung den Begriff der Freiheit in seiner historischen – und schließlich auch in seiner heutigen Definition. Nach einer Reise durch die bewegte Aufführungsgeschichte des Werks, übergibt uns Leonore im zweiten Akt milde die Aufforderung, uns nach unserer eigenen, esellschaftlichen Verantwortung zu befragen: Was bedeutet Freiheit heute, was sind die heutigen
Gefängnisse? Haben wir den Mut, Dinge zu verändern und selbst aktiv zu werden?

In dieser Ermutigung zur Einmischung spiegelt sich auch das diesjährige Spielzeitmotto „Abschied von den Helden“ wider: Leonore befreit sich von der äußeren Erwartungshaltung, die auf ihrer Figur als Heldin lastet und spielt uns den Ball zu – um es mit den Worten Heinrich Bölls zu halten: „Je mehr Bürger
mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es einmal brauchen“. Generalmusikdirektor Daniel
Cohen, der die musikalische Leitung inne hat, ist mit Paul-Georg Dittrich in der konzeptionellen Vorbereitungsphase der Produktion zur Übereinstimmung gekommen, dass unter diesem Blickwinkel ganz besonders das jubelnd-oratorische Finale der Oper einer Befragung bedarf: Die Komponistin Annette Schlünz wird dieses exklusiv für die Darmstädter Produktion musikalisch und textlich bearbeiten und dabei einen Klangraum öffnen, in dem Beethoven und zeitgenössische Musik sich begegnen. Und so stellt sich
heraus, dass auch diese Inszenierung im besten Sinne ein work in progress zwischen Musik und Szene ist, zu welchem wir Sie, liebes Publikum, ganz herzlich einladen! (Carolin Müller-Dohle)


Fidelio