Gespräch mit David Pichlmaier über "Eugen Onegin"

Im Gespräch mit David Pichlmaier über sein Rollendebüt als Eugen Onegin in Isabel Ostermanns neuer Inszenierung.

„Eugen Onegin“ ist Tschaikowskis berühmteste Oper. Wie beschreibst Du seine Musik?
Tschaikowski konnte unglaublich gute, eingängige Melodien schreiben, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Man hört sofort die Ähnlichkeit zu seinen Balletten wie „Nussknacker“ oder „Schwanensee“. Schon nach wenigen Takten spürt man genau die Atmosphäre einer Szene – eine eiskalte, trübe Schneelandschaft oder ein rauschendes Fest. Es ist hochemotionale Musik.
 

Ist der Onegin eine Traumpartie für Dich?
Auf jeden Fall! Er ist eine sehr vielschichtige Figur, die eine große Entwicklung im Laufe des Stückes macht. Und die Partie liegt für mein Stimmfach total angenehm. Dennoch fand ich die Musik wegen der sprachlichen Hürden ziemlich schwer zu lernen, zu Anfang sind es ja alles nur Silben. Da wäre ich ohne das Sprachcoaching unserer Korrepetitorin Irina Skhirtladze verloren. Inzwischen weiß ich natürlich, was jedes Wort im Kontext bedeutet – und Russisch singt sich wahnsinnig gut, es ist eine sehr weiche Sprache mit runden Vokalen.



Wie lange dauert so eine Einstudierung?
Ein halbes Jahr braucht man schon zum Lernen, denn der ganze Theateralltag mit Premieren und Konzerten läuft ja noch nebenher.

Im Laufe der Oper bricht Eugen Onegin gleich mehrere Herzen, zerstört seine einzige Freundschaft und schließlich sogar ein ganzes Menschenleben – was geht in diesem Menschen vor?
In Alexander Puschkins Vorlage wird Eugen Onegin als verwöhnter Bengel beschrieben. Er hat nie für etwas arbeiten oder kämpfen müssen. Alles ist für ihn immer nur ein Spiel, Leben und Liebe und Freundschaft. Er ist überhaupt nicht ernsthaft und reif, obwohl er sich so gibt. Puschkin, der selbst als Liberaler galt, hat mit der Zeichnung dieser Figur indirekt auch seine Kritik an der russischen Aristokratie zum Ausdruck gebracht. Irgendwann merkt Onegin, dass seine Leichtfertigkeit seinen Freund das Leben gekostet hat, er hat Schuld auf sich geladen. Diese Reue hat er dann im Gepäck. Und die Frau, die ihn vielleicht glücklich gemacht hätte, hat er arrogant von sich gestoßen. Als er das erkennt, ist es aber schon zu spät.

In so einem schlechten Timing liegt eine große Tragik …
Unbedingt. Onegin ist ja nicht böse, er ist ein in sich unglücklicher Mensch mit ziemlich dunklen Gedanken, denen er nicht entkommt. Er erkennt und bereut seine Fehler sogar, aber es gelingt ihm trotzdem nicht, daraus zu lernen und Anschluss zu finden. Er ist eigentlich unfähig fürs Leben und vergeht vor Einsamkeit.

Was sind für Dich also die großen Themen  der Oper?
Es geht um verpasste Gelegenheiten im Leben, in der Freundschaft und in der Liebe. Es geht um einen Menschen, der es nicht schafft, in der Gemeinschaft anzukommen und wirkliche Nähe aufzubauen. Und wie Marcel Reich-Ranicki es mal gesagt hat, geht es in großer Literatur letztlich immer nur um zwei Themen: Liebe und Tod.

Das Gespräch führte Frederike Prick-Hoffmann.

Eugen Onegin