2. - 25. Juni

Ein Gespräch mit Gernot Wojnarowicz, Orchesterdirektor und Konzertdramaturg am Staatstheater Darmstadt.

Georg Wojnarowicz /C) Benjamin Weber

Ein Barockfestival für Darmstadt — was sind die Hintergründe dieser Idee? Passt das zusammen?
Gernot Wojnarowicz: Ja, Darmstadt ist Barock-Stadt! Aus dem Stand gründete der Landgraf eine Hofkapelle, die sofort zum Besten gehörte, was es gab. Als die Kapelle aufgelöst wurde – dem Hof waren die Schulden über den Kopf gewachsen – gingen viele Musiker nach Mannheim, wo schließlich das berühmteste und stilbildende europäische Orchester entstand. Und auch das Netzwerk, das die Hofkomponisten in Darmstadt pflegten, war einzigartig: Graupner hatte Verbindungen zu Telemann, Bach und Vivaldi. Hier liegt die Wurzel für Musik auf diesem Level. Außerdem besitzt die Landesbibliothek unzählige Abschriften von Werken der Zeit.

2021 fand das erste Barockfest pandemiebedingt fast nur digital statt — wie war hier der Zuspruch?
Gernot Wojnarowicz: Die Livestreams und Übertragungen, vor allem des Eröffnungskonzerts mit dem berühmten Fagottisten Sergio Azzolini, wurden weltweit gesehen und von mehreren tausend Barockmusikfans eifrig und enthusiastisch kommentiert.

Maurice Steger

Nils Mönkemeyer

Nuria Rial

Wie gestaltet sich das Festival 2023 — wer macht alles mit und steuert Programme bei?
Gernot Wojnarowicz: So gut wie alle, die sich mit Barockmusik in Darmstadt befassen, sind Teil des Festivals: die Gemeinde Bessungen, die Kantorei Darmstadt, die Kirche St. Ludwig, viele Musiker*innen aus dem Umfeld der Frankfurter Musikhochschule, die als eine der führenden Ausbildungsstätten die alte Musik in Deutschland gilt. Die haben ihrerseits ein Netzwerk an spannenden Interpret*innen, die zu uns kommen. Und dabei sind natürlich Musiker*innen des Staatsorchesters mit den Ensembles, die sich schwerpunktmäßig mit Barockmusik befassen, wie die Darmstädter Barocksolisten. Die Christoph-Graupner-Gesellschaft ist ebenso vertreten, wie die Hans Erich und Marie Elfriede Dotter-Stiftung mit eigenen Konzerten. Dazu kommen tolle Ensembles aus der Region. Der Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main und die Baldur und Rose-Marie Schreiner Stiftung fördern und ermöglichen das Festival.

Avi Avital

Kit Armstrong

Isabelle Faust

Du konntest viele große Stars der Barockmusik gewinnen – wer ist da zuerst zu nennen?
Gernot Wojnarowicz: Es kommen manche der bekanntesten Interpret*innen auf dem Gebiet der Alten Musik mit eigenen Programmen oder in Zusammenarbeit mit den Darmstädter Barocksolisten und dem Staatsorchester Darmstadt zu uns. Das sind z.B. Nils Mönkemeyer und Reinhard Goebel, über den die Süddeutsche Zeitung einmal schrieb er sei „die Ikone der Alten Musik“. Da ist der „Paganini der Blockflöte“ (The Guardian“) Maurice Steger oder Avi Avital, der einzige Mandolinist, der bisher ein Grammy bekommen hat. Und dass es mit Isabelle Faust und der Akademie für Alte Musik Berlin klappt, ist ein großer Glückstreffer.

Holland Baroque

Worauf freust du dich am meisten?
Gernot Wojnarowicz: Ich freue mich, wenn sich ein Festival-Feeling einstellt, auf eine Barock-Vibe. Ich freue mich auf die großen und kleinen Konzerte, auf die Kammermusik und die Virtuos*innen. Und auf Holland Baroque. Sie spielen ein Programm mit eigenen Bearbeitungen der Orgelwerke von Bach: „Bachs Königin.“ Als ich Holland Baroque zum ersten Mal vor 1,5 Jahren in der Elbphilharmonie hörte, war ich – wie man heute sagt – schockverliebt. Ich freue mich auf die vielen vokalen Farben im Programm von Händel-Arien mit Sonia Prina, mit älterer A Capella-Musik (Polyharmonique) bis bin zu der Kombination von arabischen Liedern und Barockarien mit Nuria Rial und Dima Orsho, gefolgt von der Barockparty im Foyer des Staatstheaters. Vielleicht stimmt ja das Motto, das ich kürzlich las: „Baroque is the new pop“.

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