Fokuskünstler Alexej Gerassimez im Gespräch

Der Schlagzeug-Virtuose Alexej Gerassimez ist im März und April mit insgesamt drei Konzerten am Staatstheater Darmstadt zu Gast. Wir haben ihn zu seinem Programm beim 5. Sinfoniekonzert befragt.

Alexej Gerassimez (C) Nikolaj Lund

Was macht den aktuellen Boom der Perkussionsinstrumente aus?

Alexej Gerassimez: Mit dem Schlagzeug spricht man eine universelle Sprache. Jede Kultur hat eine Art Trommelkultur entwickelt und kennt ihren eigenen Rhythmus, kann darüber kommunizieren, und so passt das Schlagzeug perfekt in die Zeit der Globalisierung, in der Kulturen vermischen. Rhythmus verbindet die Menschen! Darüber hinaus funktioniert das Schlagzeug auch generationsübergreifend. Mit Rhythmus kann man in jedem Alter etwas anfangen – da Brücken zu schlagen, gibt mir enorm viel Motivation. Definitiv erlebt die Entwicklung der Multiperkussion gerade einen enormen Schub, auch weil sich die Spieltechnik in den letzten rund dreißig Jahren rasant entwickelt hat. Dadurch, dass es immer mehr Spieler*innen gibt, vervielfacht sich auch die Experimentierfreude und jeder entwickelt seinen eigenen Stil. So etablieren wir das Schlagzeug langsam aber sicher neben den bekannten Soloinstrumenten der Klassik. Was ich an der Multiperkussion so mag, ist die Vielfalt – dass ich nicht nur ‚ein‘ Instrument habe, sondern mich ständig verändern muss. Mit der Vielfalt an Möglichkeiten und Techniken kann ich locker mein ganzes Leben verbringen.

Was können Sie uns zu Kalevi Ahos „Sieidi“ verraten?

Das ist ein sehr rituelles Stück; es geht um die Kultstätten finnischer Ureinwohner, der Sámi. Sieidi waren Hügel, die als Kultstätten dienten, wo die Sámi ihre Götter anbeteten. Kalevi Aho hat das sehr spannend umgesetzt: Er beginnt mit einer der ältesten bekannten Trommeln, der Djembe, die aus dem afrikanischen Raum kommt und noch heute ungeheuer wichtig für den gesamten Schlagzeug-Kosmos ist. Dann folgt die Darbuka, die vor allem im arabischen Raum verbreitet ist, anschließend die Tomtoms, die ans Drumset und den Jazz-Bereich andocken, dann Marimba, Woodblocks, Vibraphon und Tamtam – und dann gehe ich den ganzen Weg wieder zurück. Das ist sehr ungewöhnlich, denn normalerweise hüpft man als Spieler in Schlagzeugkonzerten ständig zwischen diversen Stationen hin und her. Für mich ist „Sieidi“ eines der besten Schlagzeugkonzerte überhaupt, weil Kalevi Aho so gut orchestriert wie kaum ein anderer zeitgenössischer Komponist. Es ist aber auch eines der schwersten, denn fast jeder Takt hat eine neue Taktart: 3/16, dann 7/8, dann 4/4, 7/16, 5/4 etc. Es gibt keinerlei Beständigkeit, was nicht heißt, dass das Stück ohne Rhythmus wäre. Puls und Tempo hat es trotzdem, aber man muss ständig neu denken. Das vorzubereiten, ist ein bisschen, als würde man die Zahl Pi auswendig lernen.


Konzerte mit Alexej Gerassimez:

5. Sinfoniekonzert am 19. und 20. März 2023 / Leitung: Valentin Uryupin.

8. Kammerkonzert: "The Genesis of Percussion" am 13. April 2023.